22 Juni 2016

Was unsere Großzügigkeit mit Größe zu tun hat: 50 Euro, die ein gutes Gefühl hinterlassen (könnten)

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Manchmal stellen sich Unternehmen selbst ein Bein. Sie bieten die ausgefeiltesten Dinge an, die tiefsten Preise und alles geht ganz schnell per Mausklick – doch wenn der Kunde sich aus Versehen verklickt hat, hat die Kundenfreundlichkeit schnell ein Ende. Schade, denn ich glaube, auf diese Weise verscherzen sich viele Unternehmen da draußen die Liebe ihrer Kunden. Mir jedenfalls ist es so ergangen. Ich teile diese kleine Geschichte heute mit Dir, weil ich glaube, dass es für uns als Unternehmer und Freiberufler egal welcher Größe und Branche wichtig ist, Großzügigkeit zu zeigen. Das zeugt von wahrer Größe.

Sommerzeit. Urlaubszeit. Neulich habe ich unsere Flüge nach Italien und Sizilien gebucht. Wenn man einen ganzen Sonntag lang im Internet surft und eine individuelle Reise selbst zusammen stellt, wird man gegen Abend schon mal müde – und verklickt sich. Bei einer großen deutschen Airline habe ich aus Versehen zwei Flüge OHNE Gepäck gebucht. Als mir mein eigener Fehler einen Tag später auffiel, war es für eine Stornierung und Umbuchung zu spät. Ich musste eine andere Flug-Kategorie buchen, die 50 Euro mehr kostete pro Person.

Ich schrieb eine freundliche E-Mail an die Airline mit der Bitte, die Angelegenheit noch einmal zu prüfen und mir bitte zwei Flüge MIT Gepäck zu reservieren. Die Antwort – ich hätte gestern gleich anrufen sollen. „Gestern“ war Sonntag. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, an einem Sonntag bei der Airline anzurufen. Ob denn eine nette Ausnahme möglich sei, es sei mein erstes Mal gewesen, dass ich Kundin bei ihnen sei und es war mir einfach nicht ersichtlich gewesen, dass der Flug MIT Koffer direkt neben dem anderen anzuklicken war (die Koffer-Icons waren winzig klein, vielleicht lag es auch an meiner müden „Netz-Haut“ nach einem langen Tag im Netz).

Nein, leider nichts zu machen, lautete die Antwort. Ich habe mich geärgert. Aber nur kurz. Denn erstens war der Fehler MEINER – ich hatte mich verguckt und verklickt. Und zweitens werde ich meine eigene Dummheit und die zu viel bezahlten 50 Euros überleben, ohne Hunger zu leiden. Was mich viel mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass ich zu dieser Airline kein angenehmes Gefühl mehr habe. Ich habe mich nicht als Kundin wertgeschätzt gefühlt. Nicht ernstgenommen in meiner Bitte, die ganze Sache doch noch einmal anzuschauen.

Mag sein, dass die Preise so billig-billig kalkuliert sind, dass man es sich dort nicht mehr leisten kann, einen Sachbearbeiter mit der Umbuchung zu beschäftigen. Aber mal ehrlich, ist das der Sinn der Sache? Wollen wir so mit unseren Kunden umgehen?

Bei mir rief neulich auch eine Kundin an – sie hatte aus Versehen in unserem Online-Shop ein E-Book gekauft statt eines Printbuchs. Ob sie die Differenz noch überweisen könne und wir ihr bitte das Printbuch zusenden könnten. NATÜRLICH TUN WIR DAS!!

Ich habe nicht zu ihr gesagt: Ätschibätsch, selber schuld. Ich kann jetzt hier leider nicht mehr alles umbuchen und außerdem haben Sie doch schon den Link fürs E-Book bekommen … Nein. Ich habe mich hingesetzt, meiner Assistentin eine kurze E-Mail geschickt, dass sie bitte beachten möge, dass ein Teil des Buch-Preises über PayPal kommen würde (fürs E-Book) und die Differenz auf unserem normalen Firmenkonto landen würde. Selbiges habe ich meiner Steuerberaterin gemailt, damit auch hier die Buchung sauber verläuft. Und: Ich habe unseren Auslieferer in Niederbayern gebeten, der Kundin bitte das Printbuch zukommen zu lassen.

Letzten Freitag ein ähnlicher Fall: Kurz vor 16 Uhr ruft mich eine Buchhändlerin aus dem Bayrischen an. Sie hätte gern für eine Kundin mein neues Buch. Es sei ja noch nicht über den Großhandel lieferbar, ob ich ihr eines schicken könnte. Natürlich habe ich das gemacht! Da meine Assistentin an dem Tag selbst unterwegs war, habe ich zu der Kundin gesagt: Wissen Sie was, ich fahre jetzt gleich noch schnell zur Post für Sie, die geht um 16 Uhr raus, dann haben Sie das Buch gleich morgen früh!

Die Kundin hat sich riesig gefreut – und die Buchleserin auch – wie sie mir ein paar Tage später mailte … und ich war auch glücklich. So soll es doch sein. Und so kann es doch sein, oder? Ja, es macht manchmal ein bisschen mehr Arbeit, für die Mitarbeiter und auch mal für die Chefin, doch wenn am Ende alle Freude haben, dann ist das doch das schönste Geschenk, das wir einander machen können.

Ich freue mich auf den Sommerurlaub. 50 mehr bezahlte Euros bei der Airline hin oder her. Vielleicht schicke ich diesen Artikel noch an die Geschäftsführung der Airline, denn es könnte ihn interessieren, dass seine Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ihre Kunden glücklich zu machen und letztlich dafür zu sorgen, dass die guten Geschichten und Gefühle WEITER ERZÄHLT werden, was ja bekanntlich die beste Werbung ist – und viel billiger als ein TV-Werbespot.

So oder so hoffe ich, Dir mit dieser kleinen Geschichte einen Denkanstoß gegeben zu haben, in Deinem eigenen Unternehmen mal zu schauen, wo Du Deine Kunden noch glücklicher machen kannst. Wo bei aller ausfeilten Technologie und den tollsten Angeboten noch ein bisschen Luft („Air-Line“ sozusagen) ist, um sich aus selbstgebauten Fesseln wieder zu befreien und den Menschen da draußen ein gutes Gefühl zu geben. Dann heben wir alle ab, bis hoch über die Wolken, und kaufen wieder gern beieinander!

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