06 Dez. 2018

Die Schule des Lebens: Ein Geschenk des Himmels – Ein Interview mit Sacide Göpferich

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Sacide Göpferich - Die Schule des Lebens

KCA: Warum haben Sie das Buch geschrieben?

SG: Meine Hauptintention ist, dass ich Menschen inspirieren möchte. Viele Menschen haben in ihrem Aufwachsen in Familien und im Leben selbst Ähnliches erlebt. Ich möchte eine Hilfe geben, dass alles Gründe und größere Zusammenhänge hat. Da ist nichts einfach nur schlecht oder falsch. Wie all das, was gerade ist, dienen und helfen kann, motivieren kann, einfach Impuls für Veränderung sein kann.
Jeder Mensch kann sich in jedem Augenblick wieder neu entscheiden. Das ist das WUNDER-bare am Leben. Wir können wählen. Jeden Atemzug neu wählen. Es gibt immer eine Option.

KCA: An wen richtet sich Ihr Buch?

SG: Mein Buch richtet sich hauptsächlich an Frauen.
Natürlich auch an Frauen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland aufgewachsen sind.
Es sind Frauen, die ein neues Leben in die Welt tragen. Wenn wir Frauen uns verändern, verändern wir automatisch die zukünftigen Männer. Denn bereits in den neun Monaten vor der Geburt werden wir bereits von der Mutter geprägt. Somit können wir Frauen viel zum Frieden zwischen den Geschlechtern beitragen.

KCA: In Ihrem Buch berichten Sie offen und berührend von prägenden Lebensphasen und Situationen von Macht, Ohnmacht, Verrat und Verlassenwerden. Gab es einen Moment, in dem Sie bei all den Verletzungen spürten: „Ich bin dem Ganzen nicht ausgeliefert – ich bin die Schöpferin meines Lebens“?

SG: Das ist eine sehr gute Frage – es gab einen Moment – damals war es noch mehr unbewusst als bewusst, dass ich erkannt habe, ich bin die Schöpferin meines Lebens.
Ich hatte mich in einen deutschen Mann verliebt und wollte ihn heiraten. Meine Eltern hatten einen türkischen Moslem als Schwiegersohn erwartet. Das war damals ein großes Drama in unserer Familie. In dem Augenblick, als ich dachte: „Aus – Schluss – vorbei – ich kann nicht mehr – ich will nicht mehr“, war fast wie parallel etwas ganz Zartes, das ich nicht kannte.
Als ich aufgegeben und losgelassen hatte und es akzeptieren wollte, dass ich eben keinen eigenen Willen haben darf, ging es auf einmal doch – Tag für Tag – in Babyschritten weiter. Wie ein Wunder hat diese Hochzeit doch stattgefunden. Erst im Nachhinein konnte ich meine Schöpferkraft erkennen.

KCA: Sie sagen im Buch, dass es immer um Erkenntnisse geht, nicht um Verletzungen oder Enttäuschungen, die wir erleben. Worin liegt der Unterschied in den beiden Perspektiven?

SG: Es ist ungefähr so zu vergleichen, als ob man einen Urlaub auf einer Insel am Traumstrand verbringt, total entspannt, oder zu einer Himalajabesteigung aufbricht, ohne trainiert zu haben und ohne richtige Ausrüstung. Bei der zweiten Variante ist es nicht wirklich möglich, einen guten Urlaub zu verbringen.
Es ist ein komplett anderes Lebensgefühl. Das wirkt sich sogar auf alle Organe aus.
Bei Verletzungen und Enttäuschungen haben die anderen die Macht: Ich fühle mich als Opfer und bin ohnmächtig, wie ein Fähnchen im Wind.
Bei Erkenntnissen setze ich die Segel. Die Herausforderungen des Lebens sind eher die Prüfungen des Lebens. Das Schöne ist, ich kann gar nicht durchfallen. Es sind Möglichkeiten, die mir das Leben immer wieder präsentiert, bis ich besser oder anders damit umgehen kann.

KCA: Die Türkei und Deutschland. Zwei Kulturen, die Sie geprägt haben. Wo sehen Sie aus Ihrer Erfahrung Unterschiede und Gemeinsamkeiten?

SG: Unterschiede sehe ich hauptsächlich in der Stellung von Mann und Frau im Allgemeinen. Und in der Schulpflicht und Schulbildung der Mädchen.
Ansonsten kann ich hauptsächlich Gemeinsamkeiten erkennen. Eltern in beiden Kulturen wollen nur das Beste für ihre Kinder. Menschen in beiden Kulturen haben die gleichen Sehnsüchte: Liebe, Freiheit, Frieden und Wohlstand.

KCA: Ihr Credo ist: „Hör nur auf deine eigene Stimme und auf deine Seele.“ Ist das lernbar, auch für Menschen, die eher im Verstand unterwegs sind? Gibt es dafür praktische Tipps?

SG: Der einfachste Weg dazu ist, im Hier und Jetzt zu sein. Das ist ganz einfach, wenn man auf seinen Atem achtet. Dann ist jeder automatisch im Hier und Jetzt. Es klingt viel zu einfach, als dass man es im Alltag umsetzt.
Es ist ein Weg und ein Prozess. Das geht nicht von heute auf morgen. Die Stimme des Verstands sind wir gewöhnt. Sie ist laut und logisch. Die Stimme der Seele ist leise und hat Geduld und ist oft nicht logisch oder nachvollziehbar. Aber es fühlt sich gut an.

KCA: Der Glaube spielt in Ihrem Leben eine große Rolle. Glauben Sie, dass das Leben nur dann als Geschenk betrachtet werden kann, wenn wir glauben?

SG: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich glaube, es ist etwas leichter, wenn man glaubt, weil man innerlich nicht so viel Widerstand gegen das Leben aufbaut.
Spätestens auf dem Sterbebett oder wenn eine schwere Krankheit kommt, erkennen viele Menschen erst das Geschenk des Lebens. Wir könnten, wenn wir wollten, uns heute schon dafür entscheiden, das Leben als Geschenk zu sehen.
Es ist wie mit Geschenken. Der Empfänger entscheidet, ob er sein Päckchen als Geschenk sieht oder enttäuscht etwas anderes erwartet.
In beiden Fällen ist es ein komplett anderes Lebensgefühl.

Sacide Göpferich

Als türkisches Gastarbeiterkind hat Sacide von klein auf immer nur die Unterschiede und Gegensätze von Türken, Deutschen, Christen und Moslems erzählt bekommen und erfahren – von beiden Seiten. Sie entschied sich dafür, nicht einfach blind die Meinung der anderen zu übernehmen, sondern ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Indem sie sich von ihrer eigenen Stimme führen ließ, entdeckte sie exakt das Gegenteil: viele Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten. Heute erkennt sie, dass wir alle (nur) Menschen sind – und alle Kinder Gottes. Sacide Göpferichs Biografie macht Mut und lädt ein, dem eigenen Herzen, der Stimme der eigenen Seele zu lauschen und ihr zu folgen. 30 Jahre lang arbeitete sie an einem großen deutschen Flughafen in führender Position. Heute gibt sie als Lebenslehrerin und Vortragsrednerin ihre Erfahrungen weiter.

Das Interview führte Karen Christine Angermayer, Geschäftsführerin und Verlegerin des sorriso Verlags.

Mehr zur Autorin auf: www.sacide.de.

Mehr zum sorriso Verlag auf: www.sorriso-verlag.com.

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