28 Jan 2016

Warum ist ein gutes Lektorat für Autoren und heute auch für Selbstverleger so wichtig? 

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Alexandra LinkWarum ist ein gutes Lektorat für Autoren und heute auch für Selbstverleger so wichtig? 

Der Blick eines Autors auf sein fertiges Manuskript ist oft nicht klar. Kein Wunder, denn von ihm wird verlangt, dass er tief in die Charaktere seiner Geschichte hinabsteigt, seine Figuren kennt und fühlt, darüber hinaus das Setting sieht, riecht und spürt. Seine Worte müssen am Ende all das transportieren. Er ist der Puppenspieler, der seine Figuren tanzen lässt. Macht der Autor das nicht gut, wirken die Charaktere oft hölzern und nicht glaubhaft. Das Buch ist fertig, der Autor „taucht wieder auf“ – und soll jetzt einen neutralen und objektiven Blick auf sein Werk haben. Das funktioniert meistens nicht. Viele Autoren wissen nach Beendigung eines Projektes oft nicht, ob sie jetzt den größten Unsinn geschrieben haben oder ein brillantes Buch. Das ist natürlich etwas übertrieben, aber so in etwa fühlt es sich wohl an. An dieser Stelle wird der Lektor wichtig.

Seine Aufgabe ist es, das Bestmögliche aus einem Text herauszuarbeiten. Ich habe erlebt, dass Autoren schon im Prolog das Ende einer spannenden Handlung verraten haben, an der sie über 250 Seiten gefeilt haben. Genauso ist es mit dem Beschreiben von Emotionen. Viele Autoren erzählen, dass der Protagonist „dies und jenes“ fühlt. Dabei sind es kleine Gesten oder Handlungen, mit denen der Autor so viel besser zeigen könnte, wie tief die Gefühle sind, die seine Figuren haben. Beim Schreiben passieren auch manchmal klassische Fehler, wie zum Beispiel der überflüssige Einsatz von Adverbien: „Sie schlurfte langsam“, oder „der qualmende Rauch“. Solchen und anderen Fehlern sollten Lektoren auf die Spur kommen. Als Lektor überprüft man aber auch Zitate im Text und die Richtigkeit ihrer Quellen. Rechtschreibfehler und Zeichensetzung sollten auch überprüft werden, allerdings ist dies, wie ich meine, kein Ersatz für ein eigenes Korrektorat, das sich wirklich nur mit der Beseitigung von Schreibfehlern befasst. Neben der Arbeit am Text ist es auch die Aufgabe der Lektoren, das große Ganze zu überblicken und so das Manuskript zu einem überzeugenden Buch zu machen. Autoren, deren Bücher von klassischen Verlagen veröffentlicht werden, haben immer einen Verlagslektor an ihrer Seite. Menschen, die ihre Bücher selbst verlegen, sollten sich auf jeden Fall die Hilfe einer freien Lektorin/eines freien Lektors suchen.

Worin besteht die größte Herausforderung, was braucht das meiste Fingerspitzengefühl?

Die größte Herausforderung besteht wohl darin, den Autor davon zu überzeugen, dass es Textstellen gibt, die man einfach weglassen könnte. Das klingt hart, ist aber manchmal sehr nötig. Ein Autor hat zum Beispiel eine spannende Idee, die er im Erzählfluss durch unnötige Nebenhandlungen oder durch langatmige Rückblicke verwässert. Statt den Leser neugierig zu machen, spielt er lediglich mit seinem Geduldsfaden. Als Lektor sollte man den Blick auf den Text fokussieren und darauf achten, dass die wesentlichen Dinge, wie etwa die Entwicklung des Protagonisten und das Erzähltempo, nicht untergehen.

Was begeistert Dich an Deiner Arbeit?

Ich arbeite gerne mit Texten und mit Sprache. Darüber hinaus mag ich den Austausch mit den Autoren, den kreativen Prozess, auf den sich Autor und Lektor miteinander einlassen müssen. Wir haben beide das Ziel, das Bestmögliche aus seinem Manuskript herauszuarbeiten. Am Ende sollte eine runde Geschichte auf dem Papier stehen. Ich mag die Vermischung von Psychologie und Textarbeit. Ich glaube, das ist es auch, was mich an diesem Beruf am meisten fasziniert. Am Ende hält der Autor das fertige Buch in seinen Händen und als Lektor hat man einen großen Beitrag geleistet. Das ist ein sehr schönes Gefühl.

 Welchen Tipp hast Du für angehende Autoren und auch für „alte Autorenhasen“?

Als Autor ist man immer blind für den eigenen Text, vor allem, wenn er „frisch geschrieben“ ist. Mit ein bisschen Abstand sieht das noch einmal ganz anders aus. Aber meistens drängt die Zeit und der Autor muss sich an feste Abgabetermine halten. Junge Autoren, aber auch die „alten Hasen“ sollten sich immer auf konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge einlassen. Die haben ja nur das Ziel, das spätere Buch besser werden zu lassen. Trotzdem, wenn die Chemie zwischen Lektor und Autor nicht stimmt, sollte man sich auch voneinander verabschieden können. Ich bin mir sicher, dass man sich als Autor immer weiterentwickeln kann und dieser Prozess niemals aufhört. Ich denke, wenn ein Autor nicht mehr in Frage stellt, was er tut, ist er ziemlich bald am Ende seines Schaffens. Der kritische Blick des Lektors sollte auch immer ein wertschätzender sein. Jungen Autoren (damit meine ich Autoren, die altersunabhängig, ihr erstes Buch schreiben) sollten sich vor den falschen Testlesern schützen. Unprofessionelle Kritik an einem Werk kann vieles kaputt machen. Familienmitglieder neigen dazu, alles ganz wunderbar zu finden, Freunde und Bekannte können dem jungen Autor oft emotionale Verletzungen durch unbedachte Worte zufügen, die sehr entmutigen können. Wichtig ist es, dem Autor weiterzuhelfen, ihn in seinem Entwicklungsprozess zu unterstützen. Hier vermischt sich das Lektorat schon ein wenig mit dem Autorencoaching. Manchmal steckt der Autor auch in einem literarischen Wollknäuel, in das er sich fest verwickelt hat. Ein guter Lektor ist in der Lage, diese Fäden wieder zu entwirren. Der wichtigste Tipp ist wohl das Durchhalten: „Schreiben ist sitzenbleiben“, sagt man. Niemals aufgeben, einfach weiterschreiben. Das klingt einfacher als es ist, aber es lohnt sich!

Mehr Informationen zu Alexandra findest Du auf der sorriso Team Seite www.sorriso-verlag.com/team/ und unter www.lektorat-link.de.

 

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